10. Oktober 2024
Games Lift: Rouven Cabanis versteht Friesland
Gelegentlich können Klischees auch stimmen: Der Entwickler eines Spiels mit besonders weitem Horizont beeindruckt uns im Games Lift Inkubator mit seinem Weitblick. Rouven Cabanis im Portrait in unserem Games Lift Log zu seinem Spiel "Frisia - Cozy Villages"
Videospiele sind Welten. Aber nicht immer würden wir uns Fotos dieser Welten ins Urlaubsalbum kleben. Bei „Frisia – Cozy Villages“ ist das anders. Genau hier strömen Millionen Menschen jedes Jahr hin: auf die friesischen Inseln. Hier war auch Rouven Cabanis schon oft. Und er hat genau hingeschaut.
“Die Atmosphäre, die Lichtstimmung“, nennt er an erster Stelle, wenn er über die Inspiration für sein Projekt „Frisia – Cozy Villages“ spricht. Das Meer, die Farben der Landschaft, die Weite, wie alles miteinander interagiere, das wolle er aus der echten Welt auf den Bildschirm transportieren. Und wie sich alles verändern könne: „Wenn man am Strand liegt und die riesige dunkle Wolke kommen sieht, wie es dann in 30 Sekunden arschkalt ist, und dann aber auch schnell wieder schön warm“. Das ist die Essenz eines friesischen Strandurlaubs, auf den Punkt gebracht in wenigen Worten.
Inseln im Eigenbau
Rouven macht aber keinen Urlaub, sondern ein Strategiespiel; eines, in dem die Landschaft eine ungewöhnlich große Rolle spielt, weil sie sich verändert. In „Frisia – Cozy Villages“ entsteht ein Dorf auf einer Insel. Es sei eher ein „Dark Cozy Game“, ordnet Rouven ein. Das Wetter wird nicht immer schön, es wird auch Stürme geben, aber keinen engen Kampf um Ressourcen. Stattdessen macht das Meer sogar Geschenke – einen originellen Spielmechanismus findet Rouven im Watt. Die Menschen auf den Inseln hätten früher „alles genutzt, was vom Meer kam“, und dazu hätten auch „Schiffswracks oder angespülte Ladung“ gehört, erzählt er. Auch in „Frisia“ wird sich das Meer mit der Ebbe weit zurück ziehen und flüchtige Schätze im Watt offenbaren. Noch heute erinnert der Name „Theeknob“ an diese Zeit.
Eine naheliegende Inspiration für idyllischen Aufbau ist die Anno-Serie. Rouven hat sie für sich entdeckt, als er Medieninformatik in Lübeck studiert und sich in die mittelalterliche Altstadt verliebt hat: „Ich sah Anno und dachte, da kann ich das nachbauen!“ Im Rahmen des breit gefächerten Studiengangs hat Rouven sich nebenbei selbständig Blender beigebracht, bis er nebenbei auch als 3D-Grafiker Arbeit fand. Das Programmieren dagegen war ihm anfangs zu abstrakt. Die Arbeit an Spielen machte es greifbarer und hat ihm den Code „in die Realität geholt“.
Dinge einfach auszuprobieren, um sie zu lernen, ist ein wiederkehrendes Thema in Rouvens Werdegang. Wie man eine Steam-Page erstellt, hat er auch am Beispiel seines eigenen Free-to-Play-Spiels gelernt. Rouven beschreibt das nüchtern, als sei es nur folgerichtig. Natürlich mache er immer noch Fehler, aber auch eine Steam-Page sei „gar nicht so gruselig“.
Nach Lübeck hat Rouven sich im Games Master der HAW Hamburg eingeschrieben. Auch den Inkubator geht er mit einem klaren Plan an. Er kann sehr genau erklären, was er hier lernen will: Wie man an Publisher herantritt, sich um Förderung bewirbt, ein Projekt pitcht, den Entwicklungsprozess kommuniziert, sich öffentlich darstellt – auf einige Themen freut er sich noch, zu anderen hat er bereits viel mitgenommen. Es sei krass, was er jeden Tag aus Workshops mitnehmen könne. Zuletzt habe das Pitch-Training ihm einen „wirklich konkreten Ansatz“ für die weitere Arbeit geliefert.
Die weiteren Aussichten
Es klingt fast, als fehle nur noch das Drumherum. Den Überblick, das Gamedesign, die visuelle Gestaltung und die Programmierung beherrscht Rouven schließlich. Eine Demo zu „Frisia – Cozy Villages“ ist bereits auf Steam erhältlich. Doch da widerspricht Rouven. Vieles könne sich noch ändern, das Projekt wachsen, und auch Teamarbeit möge er sehr.
Doch bevor „Frisia“ weiter wächst, will Rouven die Inspiration nutzen, die ihm der Inkubator bietet. Interne Playtests sind geplant, der Maßstab des Projekts soll genauer bestimmt werden. Und nach wie vor bleibt die Demo live auf Steam. Wer sich für das Projekt interessiere, könne sehr gerne Feedback abgeben, gerade auch zur Atmosphäre und zum Interface, sagt Rouven. „Das freut mich immer wahnsinnig.“ Er behält das Publikum im Blick – wohin die Reise gehen soll, weiß er allerdings selbst.